Sonntag, 8. Januar 2012

Golden Earring – Moontan






Golden Earring – Moontan


Besetzung:

Barry Hay – vocals, guitar, flute
George Kooymans – lead guitar, vocals
Cesar Zuiderwijk – percussion
Rinus Gerritsen – keyboards, bass, trumpet


Label: MCA Records


Erscheinungasdatum: 1973


Stil: Progressive Rock, Rock


Trackliste:

1. Radar Love (6:24)
2. Candy’s Going Bad (6:12)
3. Vanilla Queen (9:20)
4. Big Tree, Blue Sea (8:13)
5. Are You Receiving Me (9:32)

Gesamtspieldauer: 39:41




Man möchte es kaum glauben, aber genau wie zum Beispiel beim „Electric Light Orchestra“, gab es auch in der Bandgeschichte von „Golden Earring“ eine Phase, die man durchaus mit „progressiv“ umschreiben kann. Und diese Phase deckt sich mit jenem Zeitpunkt, an dem das wohl bekannteste Lied von „Golden Earring“, “Radar Love”, erschien.

In der ersten Bandphase, die bereits 1962 (!) begann, waren es zunächst Stücke, die sich an der Rock’n’Roll-Zeit der 50er orientierten. Gefolgt wurden diese ersten Veröffentlichungen von Alben, die durchaus als Anlehnungen an die Musik der „Beatles“, wie die der „Stones“ zu verstehen waren. Erst Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre, wurden die Kompositionen schließlich deutlich komplizierter, verschachtelter, experimentierfreudiger und komplexer. Im Anschluss an diese Phase, die bis Mitte der 70er Jahre anhielt, entwickelte sich „Golden Earring“ dann zu einer Mainstream Rockband und hat zu diesem Zeitpunkt für einen Prog-Fan nicht mehr viel zu bieten. Zwar veröffentlichten die vier Niederländer weiter fleißig Alben, die auch sehr gute Stücke wie zum Beispiel „Twilight Zone“ aus dem Album „Cut“ von 1982 beinhalteten, aber das waren eben nette Rocksongs und hatten mit der progressiven Rockmusik der frühen 70er nichts mehr außer der Überschrift „Golden Earring“ gemein.

Zur Information: Es kursieren zwei verschiedene Versionen des Albums „Moontan“. Auf der ursprünglichen Plattenversion waren folgende Lieder vorhanden: 1. Candy's Going Bad 2. Are You Receiving Me 3. Suzy Lunacy (Mental Rock) 4. Radar Love 5. Just Like Vince Taylor 6. The Vanilla Queen. Dann gab es eine CD-Veröffentlichung, auf denen die Tracks 3 und 5 fehlten, zwei nette Rocksongs. Anstelle dieser beiden Lieder war auf der neuen Pressung dann „Big Tree, Blue Sea“ zu hören, welches dem Prog wesentlich näher kommt. Inzwischen gibt es beide Variationen auf CD, ich beziehe mich hier auf jene mit „Big Tree, Blue Sea“.

Auf dem 1973 erschienenen Album „Moontan“ befindet sich das wohl bekannteste „Golden Earring“ Stück, welches Mitte der 70er Jahre in keiner Rock-Disco fehlen durfte. Jenen Etablissements also, die sich deutlich von Earth, Wind & Fire, Commodores und Konsorten distanzieren wollten, und zum Abtanzen und Abrocken eher „AC/DC“, „Deep Purple“, „Free“, „Led Zeppelin“ oder eben „Golden Earring“ favorisierten.

Zu „Radar Love“ muss man nicht viele Worte verlieren. Das Stück ist ein Rockklassiker und wenn man sich dieses Liedes nicht bereits in der 70ern überhört hat, hat es immer noch seinen Charme durch seine Bläsereinlagen, die treibenden Drumparts, den „antwort-gebenden“ Gitarren und den einzelnen Steigerungen, die das Grundschema immer wieder aufnehmen.

Aber Prog, nein Prog ist das höchstens ganz am Rande. Auch das nächste Stück „Candy’s Going Bad“ ist zumindest zu Beginn noch ein Rock’n’Roll-Lied. Ein treibender Rhythmus, ein Gitarrensolo und dann, ab 3:40, geht das Stück in einen ruhigeren und ausklingenden Teil über. Dieser hört sich fast schon ein wenig „floydesk“ an und könnte durchaus ein Teil eines Titels aus „Obscured By Clouds“ sein.

Das dritte Lied, „Vanilla Queen“ stellt einen, wenn nicht sogar den Höhepunkt, der ganzen CD dar. Das Stück beginnt mit einem sphärischen Synthesizerpart, in den schließlich der Bass und anschließend Barry Hays Gesang einsetzen. Das Lied steigert sich von Textzeile zu Textzeile bis es in einen melodiösen Refrain mündet. Diese Abfolge wird noch einmal durchlaufen und es folgt ein Akustikpart, in welches ein Gitarrensolo eingebettet ist, das wiederum von Bläsern unterstützt wird. „Golden Earring“ schaffen es hier auf geniale Weise Klangwelten zu kreieren. Dies gilt auch für die sich anschließenden Sprachfetzen, die an „Queensryche“ und „Operation Mindcrime“ erinnern, oder ist das umgekehrt? Diese Sequenz wird beendet mit der Aussage „What’s your name Honey?“, gefolgt von einem startenden Motorengeräusch und schließlich geht es ab 6:23 in das furiose Finale des Stückes über. Hier stimmt jetzt einfach alles. Stimmung, Instrumentierung, Geschwindigkeit und so kann man diesen „Abspann“ des Liedes noch drei Minuten lang genießen. Ein kleines Meisterwerk ist den vier Holländern da gelungen.

„Big Tree, Blue See“ heißt der nächste Track. Nicht nur wegen des Einsatzes einer Querflöte lässt sich hier die geistige Nähe zu Jethro Tull nicht leugnen. Allerdings kommt bei diesem Lied die Querflöte auch so zum Einsatz, wie wir sie alle von Peter Gabriel auf „Foxtrot“ lieben- und kennengelernt haben. Dann wird es wieder sphärisch, mehrere Querflöten „bekriegen“ sich zum Teil, bis schließlich der Bass erneut einsetzt und das Lied wieder an Fahrt aufnimmt. „Big Tree, Blue See“ ist ein Klasse-Prog-Stück, welches gerade durch seinen Abwechslungsreichtum besticht und einfach Spaß beim Zuhören bereitet.

Seinen würdigen Abschluss findet die CD in der Nummer „Are You Receiving Me“. Auch bei diesem letzten und längsten Stück des Albums tragen die Bläser wieder einen gehörigen Part zur Erzeugung der Stimmung bei. Bis 3:40 liegt hier ein flotter Song vor, der dann in einen abgefahrenen, bald fast improvisiert klingenden Teil mündet. Und auch bei diesem Lied beweisen „Golden Earring“ ihre Gabe, ein Lied wachsen zu lassen. Es wachsen zu lassen, bis schließlich alles in einem Saxophonsolo mündet und gegen Ende der Nummer noch einmal die Gesangsspur aufnimmt.

Fazit: Jeder der Rock der früheren 70er mag, dem wird dieses Album gefallen. Gefallen wird es aber auch allen Proggies, die „Golden Earring“ bisher nur als die „Radar-Love-Band“ kannten. An einigen Stellen erinnert es an Jethro Tull, an anderen an den deutschen Krautrock der 70er, auch wenn es die vier Niederländer nicht freuen wird ;-) Auf einer Skala von 0 - 15 Punkten, erhält „Moontan“ verdiente 13 Punkte!

Anspieltipps: Vanilla Queen, Big Tree Blue Sea, Are You Receiving Me, ach, eigentlich alles!